
Im Schneideraum finden Begegnungen der besonderen Art statt: Auch wenn ich „meine“ Protagonist:innen in der Regel nicht persönlich kennenlerne, verbringe ich auf dem Bildschirm viel Zeit mit ihnen, bemerke typische Gesten, kann mich auf ihre Sprechweise einlassen. Und wurde manchmal überrascht, wenn Test-Zuschauer:innen, die nicht so viel Zeit mit den Figuren verbringen konnten, Probleme hatten, jemanden akustisch zu verstehen, auch wenn sie die gleiche Sprache sprechen.
In meiner Masterarbeit habe ich mich mit dokumentarischen Fernsehformaten beschäftigt, die Menschen portraitieren, die wegen einer Behinderung akustisch schwer zu verstehen sind. Wie gehen wir Filmemacher:innen mit ihrer Sprechweise um? Setzen wir Untertitel ein, die eine scheinbar klare Deutung vorgeben? Oder lassen wir sie weg, auf die Gefahr hin, dass nicht alle ausgesprochenen Informationen beim Publikum ankommen? Begünstigt man durch das ohne „Übersetzung“ erforderliche Aufeinander-Einlassen eine tiefere Begegnung zwischen den Menschen vor und hinter dem Bildschirm, oder verhindert man diese eher, weil die sprachliche Barriere zu hoch ist?
Auf meiner Reise in das Nicht-Verstehen habe ich Fragen gestellt, welchen Stellenwert sprachliche Gewandtheit für die Repräsentation in den Medien hat, wie wir mit Missverständnis umgehen, wofür so ein „Ähm“ manchmal wichtig ist und wie sich das alles auf meine Montage auswirken kann. Neben vielen Worten kommen in dem Essay auch Grafiken und Videoskizzen zum Zuge, die auf ihre Weise zum Nachdenken anregen.
Masterarbeit, 212 Seiten
Betreuung: Susanne Foidl und Marlis Roth
Potsdam 2022